Sind Urintests sinnvoll?
Was sind die Unterschiede zwischen Speichel- und Urintests? Speicheltests für Drogenkontrollen haben wir in unserem letzten Newsletter unter die Lupe genommen. Heute beleuchten wir Drogenkontrollen mit Urintests sowie Möglichkeiten ihrer Manipulation und werfen einen Blick ins Ausland.
Urin: Was ist das eigentlich?
Urin ist quasi das Abwasser unseres Körpers. Die Nieren sammeln nicht benötigte, wasserlösliche Abfallprodukte und Fremdsubstanzen und der Körper scheidet diese über die Harnwege aus. Die Nieren könnte man folglich auch als Kläranlagen des Körpers bezeichnen. Rund achtmal pro Tag muss jeder Mensch Wasserlassen. Jeden Tag kommen so etwa ein bis zwei Liter Urin zusammen. Die genaue Menge ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich und hängt von Faktoren wie Flüssigkeitszufuhr, Ernährung, Blutdruck und dem allgemeinen Gesundheitszustand ab. Harn besteht zu 95 Prozent aus Wasser. Der Rest sind Salze wie Kalium und Natrium sowie Stoffwechselprodukte, die vom Körper nicht verwertet werden oder schädlich sind. Im Idealfall ist Urin glasklar und hellgelb.
Wie kommen Drogen in den Urin?
Urin ist für den menschlichen Körper der wichtigste Ausscheidungsweg für Drogen und ihre Abbauprodukte. Sobald die Substanz im Konsumenten ihre Wirkung entfaltet, beginnt der Organismus, sie durch chemische Veränderungen unschädlich zu machen. Für solche Entgiftungsprozesse braucht der Körper Zeit. Folglich gelangen deren Abbauprodukte mit einer deutlichen Verzögerung nach dem Konsum in den Urin. Gleichzeitig ist der Zeitraum, in dem die Abbauprodukte im Urin nachgewiesen werden können, viel länger als dies im Blut oder Speichel der Fall ist. Die Abbauprodukte von THC können selbst dann noch im Urin nachgewiesen werden, wenn der Wirkstoff im Blut längst verschwunden ist. Das heißt, ein positiver THCNachweis im Urin ist in vielen Fällen nicht gleichbedeutend mit einer aktuellen Beeinflussung. Bei Verkehrskontrollen führt diese Tatsache oft dazu, dass die angeordnete Blutprobe inklusive Laboranalyse negativ ist.
Drogenkontrollen mit Urintests
Bei der Durchführung von Urintests hat jeder ein Recht auf Schutz seiner Intimsphäre. Damit die Urinabgabe verdeckt erfolgen kann, sind sichtgeschützte Bereiche in Form von sanitären Einrichtungen notwendig. Dies erhöht die Kosten einer Verkehrskontrolle und vergrößert den Zeitaufwand für jede Probennahme. Urintests sind also nicht so günstig, wie es auf den ersten Blick scheint.
Manipulationsmöglichkeiten
Eine verdeckte Urinabgabe bietet Gelegenheit, den Urin zu manipulieren. Im Internet kann man z. B. über Amazon garantiert sauberen, drogen- und dopingfreien Urin in kleinen Beuteln kaufen. Die passende Unterhose mit integriertem Fach für den Beutel verkauft der Hersteller gleich mit. Noch weiter gehen Anbieter, die künstliche Penisse zusammen mit dem Fremdurin verkaufen. Drogenkonsumenten versuchen auch mit Bleichmitteln, Toilettenreinigern oder Mundwasser das Testergebnis zu verfälschen. Oder der Proband verdünnt den Urin mit Wasser, um so unter die Nachweisgrenzen des Urintests zu gelangen.1
Der Blick über die Grenzen
In den letzten Jahren sind viele Länder weltweit auf Speichel als Probenmaterial umgestiegen. Australien war Vorreiter für den Einsatz von Speicheltests bei verdachtsunabhängigen Drogenkontrollen von Fahrzeugführern. 2004 hat der australische Bundesstaat Victoria als erste Region weltweit die Rechtsgrundlage dafür geschaffen. Jeder Fahrer kann dort überall und jederzeit getestet werden. Sowohl die Straßenkontrollen als auch der Bestätigungstest im Labor werden mit Speichel durchgeführt. Die Übereinstimmung der Ergebnisse liegt dabei zwischen 96 und 99,5 %.
Verdachtsunabhängige Kontrollen gibt es auch in Frankreich. Seit 2008 werden dort Speichelvortests eingesetzt und seit Januar 2016 ist Speichel als Medium für die Bestätigungsanalytik von Drogen im französischen Gesetz verankert. Jeder Fahrzeugführer kann in Zukunft ohne Vorverdacht zu einer Speichelentnahme durch den Polizisten aufgefordert werden. Die einfache, schnelle und nicht invasive Probennahme bei Speichel erleichtert das Vorgehen erheblich.
Auch die Polizei in Belgien arbeitet seit Jahren erfolgreich mit Speicheltests. Einzelne Beamte überführen dort 180 bis 240 Drogensünder pro Jahr. Belgien hat 2009 bei Verkehrskontrollen von Urintests auf Speicheltest umgestellt. 92 % der positiven Speichelvortests werden im Blut bestätigt. Das sind 9 % mehr als vor der Änderung. Die bessere Übereinstimmung wird darauf zurückgeführt, dass sich die Drogenkonzentrationen in Blut und Speichel besser entsprechen.2
Auch in Großbritannien werden aufgrund einer Gesetzesänderung vermehrt Speicheltests durchgeführt. Dort wurden allein im Dezember 2015 mehr Drogenfahrten aufgedeckt als im gesamten Jahr 2014.3 Diese Länder haben die Frage „Speichel – optimal für Drogentests?“ mit einem klaren Ja beantwortet.
1 Dasgupta, American Journal of Clinical Pathology 2007; 128: 491-503
2 Van der Linden et al., Forensic Science International 249 (2015), 148-155
3 Pressemitteilung des National Police Chiefs‘ Council, UK vom 27.01.2016